Trockentauchen – warm, sicher und komfortabel auch bei eisigen Temperaturen

Ein Erfahrungsbericht und Ratgeber für Anfänger und Fortgeschrittene

Einleitung: Warum überhaupt Trockentauchen?

Foto nach dem ersten Tauchgang im Februar 2018 in Rastatt

Wenn man sich mit dem Gedanken beschäftigt, auch bei kühleren Temperaturen tauchen zu gehen, kommt man früher oder später an einen Punkt, an dem der klassische Neoprenanzug nicht mehr ausreicht. Ich selbst habe lange Zeit nach dem Motto „Nur die Harten kommen in den Garten“ gelebt – und bin in einem 7mm-Halbtrockenanzug samt 5mm Eisveste bei eiskalten Temperaturen ins Wasser gestiegen. Das funktionierte eine ganze Weile gut, aber irgendwann kam der Tag, der alles veränderte: Ich tauchte bei -2°C in einem Baggersee bei Rastatt. Der erste Tauchgang, etwa 25 Minuten lang, war schon äußerst unangenehm kalt. Danach duschte ich mich lauwarm (um wieder auf Temperatur zu kommen), hängte meinen nassen Neoprenanzug zum Trocknen auf und versuchte, mich für den zweiten Tauchgang bereit zu machen. Eine Stunde später war der Anzug jedoch steif gefroren. Ich zwang mich, hineinzuschlüpfen. Der zweite Tauchgang dauerte nur 15 Minuten, aber gegen Ende hörte mein Körper auf zu zittern – ein gefährliches Zeichen, denn es bedeutet, dass der Körper seine Fähigkeit zur Thermoregulation verliert. Zum Glück befanden wir uns in einem flachen Bereich nahe am Ufer und konnten den Tauchgang abbrechen. Das war der Moment, in dem ich wusste: Es muss sich etwas ändern. Kurz darauf ließ ich mir bei Kallweit einen Trockentauchanzug maßanfertigen – und seitdem hat sich mein Kaltwetter-Tauchalltag grundlegend verbessert.


Wärmeleitfähigkeit: Warum wird man im Wasser so schnell kalt?

Tauchen ist ein faszinierender Sport, doch die physikalischen Eigenschaften von Wasser stellen eine besondere Herausforderung dar – vor allem bei niedrigen Temperaturen. Ein entscheidender Faktor ist die Wärmeleitfähigkeit von Wasser im Vergleich zu Luft. Wasser leitet Wärme etwa 20- bis 25-mal schneller als Luft. Das bedeutet: Selbst bei vermeintlich milden Wassertemperaturen von etwa 20 Grad Celsius kühlt der menschliche Körper erheblich schneller aus als in gleich temperierter Luft.

Der menschliche Körper produziert zwar kontinuierlich Wärme, aber die Geschwindigkeit, mit der diese Wärme an das Wasser abgegeben wird, ist deutlich höher. Sobald man ins Wasser eintaucht, beginnt der Körper, Wärme zu verlieren – zuerst an die Haut, dann an die tieferliegenden Gewebeschichten. Ohne ausreichende Isolierung kann dies schnell zu Muskelverspannungen, Koordinationsproblemen, eingeschränkter Beweglichkeit und im schlimmsten Fall zu Hypothermie führen. Doch das Tückische an der Unterkühlung ist, dass sie sich oft schleichend und fast unmerklich entwickelt. Man fühlt sich vielleicht nur ein wenig steif, beginnt leicht zu frösteln – und realisiert nicht, dass man sich bereits in einem kritischen Zustand befindet.

Warum ein Trockentauchanzug so viel besser isoliert als Neopren

Der klassische Neoprenanzug funktioniert, indem er eine dünne Wasserschicht zwischen Haut und Anzug einschließt, die sich durch die Körperwärme aufheizt. Doch dieses Prinzip hat Grenzen. Je länger und je tiefer ein Tauchgang ist, desto stärker wirkt der Wasserdruck auf den Neoprenanzug. Das führt dazu, dass die im Neopren eingeschlossenen Gasbläschen komprimiert werden – mit der Folge, dass der Anzug an Dicke und damit an Isolationswirkung verliert. Das bedeutet: Gerade in größerer Tiefe, wo es kälter ist, isoliert ein Neoprenanzug am wenigsten.

Ein Trockentauchanzug hingegen schließt keine Wasserschicht, sondern eine isolierende Luftschicht zwischen Anzug und Körper ein. Da Luft deutlich schlechter Wärme leitet als Wasser, bleibt der Körper wesentlich länger warm. Zusätzlich hat man beim Trockentauchen die Möglichkeit, die Dicke der Isolierung individuell an die Wassertemperatur anzupassen. Dünne Fleece-Unterzieher reichen im Sommer oft aus, während man im Winter auf spezielle Thermo-Unterwäsche oder sogar elektrisch beheizbare Systeme zurückgreifen kann. So lässt sich das Kälteempfinden deutlich besser kontrollieren und die Tauchsaison verlängern sich erheblich.

Ein weiterer sicherheitsrelevanter Aspekt ist die sogenannte Dekompression. Viele Taucher verlassen sich auf ihre Tauchcomputer, die Tauchzeiten und -tiefen berechnen, aber in keiner Weise die Haut- oder Körpertemperatur berücksichtigen. Studien zeigen, dass Unterkühlung die Durchblutung verlangsamt – und somit auch die Entsättigung von Inertgasen wie Stickstoff. Dies kann dazu führen, dass man trotz regelkonformen Aufstiegs ein erhöhtes Risiko für Dekompressionsunfälle hat. Trockentaucher sind hier klar im Vorteil, da sie ihre Körpertemperatur stabiler halten können.

Komfort und Sicherheit nach dem Tauchgang

Wer einmal einen Tauchgang im Winter mit einem Trockentauchanzug gemacht hat, wird nicht nur die Wärme im Wasser schätzen, sondern auch den Komfort danach. Statt sich klitschnass und bibbernd am Ufer umzuziehen, steigt man trocken und meist angenehm temperiert aus dem Anzug. Gerade bei mehreren Tauchgängen an einem Tag oder im Rahmen von mehrtägigen Tauchreisen macht dieser Komfort einen riesigen Unterschied. Nasse, frierende Finger gehören der Vergangenheit an, und das lästige Gefühl, sich in kalte, feuchte Klamotten zwängen zu müssen, entfällt.

Die verschiedenen Arten von Trockentauchanzügen

Trockentauchanzüge gibt es in verschiedenen Materialien und Bauarten, die jeweils Vor- und Nachteile mit sich bringen. Eine der häufigsten Varianten ist der Trilaminatanzug. Dieser besteht aus drei Lagen – in der Regel einer innenliegenden Textilschicht, einer wasserdichten Membran in der Mitte und einer abriebfesten Außenschicht. Trilaminatanzüge bieten keine eigene Isolation, sind dafür aber sehr leicht, flexibel und trocknen schnell. Sie sind besonders bei technischen Tauchern beliebt, da sie sich gut mit verschiedenen Unterzieherschichten kombinieren lassen und eine hohe Bewegungsfreiheit bieten.

Neopren-Trockentauchanzüge bestehen aus dickem, geschlossenporigem Neopren, das eine Grundisolation mitbringt. Sie sind oft etwas schwerer und weniger flexibel, bieten aber durch das Material eine angenehme Wärmeleistung. Crushed oder komprimiertes Neopren stellt eine Zwischenlösung dar: Das Material wird so behandelt, dass es weniger komprimiert wird und somit in der Tiefe seine Isolationswirkung besser behält. Diese Anzüge sind besonders bei Berufstauchern und Vielnutzern beliebt.

Darüber hinaus gibt es Hybridmodelle, die beispielsweise einen Trilaminat-Torso mit Neopren-Ärmeln und -Beinen kombinieren, um sowohl Beweglichkeit als auch Wärmeleistung zu optimieren. Die Wahl des Anzugs hängt von vielen Faktoren ab: dem Einsatzgebiet, dem eigenen Kälteempfinden, der gewünschten Beweglichkeit und nicht zuletzt dem Budget.

Sicherheitsaspekte: Was man beim Trockentauchen beachten muss

Auch wenn Trockentauchen viele Vorteile bietet, erfordert es Übung und einen sicheren Umgang mit dem Equipment. Ein typisches Problem ist die Luftverteilung im Anzug. Wenn zu viel Luft in den Fußbereich gelangt, kann es passieren, dass man unkontrolliert in eine kopfübergerichtete Schwimmlage gerät. Um das zu vermeiden, sollte man regelmäßig Luft ablassen und sich bewusst in einer Position halten, in der der Kopf leicht über den Beinen liegt. Viele Taucher verwenden zusätzlich Fersenbleie oder spezielle Rockboots, um das Gleichgewicht zu optimieren.

Wichtig ist auch die Wartung des Anzugs: Die Einlass- und Auslassventile sollten regelmäßig geprüft und gereinigt werden. Manschetten an Hals und Handgelenken müssen elastisch und dicht sein. Nach jeder Saison sollte der Anzug auf Dichtigkeit überprüft werden – kleinere Undichtigkeiten lassen sich meist problemlos reparieren, können aber bei Vernachlässigung zu größeren Problemen führen.

Bei einer Leckage im Wasser ist es entscheidend, ruhig zu bleiben. Der Anzug wird dann zwar nass, aber nicht sofort gefährlich. Wichtig ist, den Tauchgang kontrolliert zu beenden und schnell wieder aufzuwärmen. Deshalb sollte man bei jedem Tauchgang Wechselkleidung und ein Handtuch griffbereit haben.

Der Weg zum sicheren Trockentaucher

Wer ins Trockentauchen einsteigen möchte, sollte unbedingt einen speziellen Kurs besuchen. Dort lernt man nicht nur die Handhabung des Anzugs und das Tarieren, sondern auch den sicheren Umgang mit Notsituationen. Viele Tauchbasen bieten solche Kurse an, oft mit Leihanzügen, sodass man verschiedene Modelle ausprobieren kann. Drysuit Diver zählt für mich zu den Sinnvollen Brevetierungen. Wichtig ist es, langsam zu beginnen – idealerweise in einem vertrauten Gewässer bei moderaten Temperaturen.

Die Wahl des richtigen Unterziehers spielt ebenfalls eine zentrale Rolle. Zu dick ist genauso ungünstig wie zu dünn. Wichtig ist, dass der Unterzieher atmungsaktiv ist und Feuchtigkeit vom Körper wegtransportiert. Wer schnell friert, kann auf beheizbare Systeme zurückgreifen – hier ist aber unbedingt auf die Stromversorgung und Sicherheit zu achten.

Nach einigen Tauchgängen mit dem Trocki entwickelt man ein gutes Gefühl für den Umgang mit dem System. Man tarriert intuitiver, weiß, wie viel Luft man zu welchem Zeitpunkt hinzufügen muss, und erkennt frühzeitig potenzielle Probleme. Wer einmal den Komfort, die Wärme und die verlängerte Tauchsaison erlebt hat, möchte nie wieder zurück.

Fazit: Luft schlägt Wasser – warum Trockentauchen so sinnvoll ist

Trockentauchen bietet eine Vielzahl von Vorteilen: eine bessere Isolierung durch Luft, eine individuell anpassbare Ausrüstung, mehr Sicherheit in Bezug auf Dekorisiken und einen deutlich gesteigerten Komfort – sowohl unter Wasser als auch danach. Es erlaubt Tauchgänge zu Jahreszeiten und an Orten, die mit einem Nass- oder Halbtrockenanzug schlicht nicht möglich oder nur unter erheblichen Einschränkungen denkbar wären.

Ob Anfänger oder fortgeschrittener Taucher – der Schritt zum Trockentauchen ist ein lohnender. Mit der richtigen Ausbildung, einem guten Anzug und etwas Übung eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten. Und wer es einmal ausprobiert hat, wird sich fragen, warum er es nicht schon viel früher getan hat.


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